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Ein Artikel aus
OÖ. Heimatblätter
2013 Heft 3/4

Bei dem vorliegenden Beitrag handelt es sich um
einen Auszug aus der im Jahre 2012 von Wolfgang Sachsenhofer an der
Katholisch-Theologischen Privat-Universität eingereichten
Diplomarbeit in Kunstwissenschaft.



Anmerkungen:
(29) Vgl. „Eine Weihnachtskrippe für den Neuen Dom in Linz“, in „Ave Maria“, Jänner 1908, 26.
(30) Vgl. „Ave Maria“, Jänner 1908, 26.
(31) Vgl. Scherndl, Balthasar, Die Krippe des Maria Empfängnis-Domes, in „Ave Maria“, März 1910, 60.
(32) Vgl. „Christliche Kunstblätter“, Jahrgang 1912/1, 4–8.
(33) Vgl. „Ave Maria“, Jahrg. 1910, 60.
(34) Vgl. „Christliche Kunstblätter“, Jänner 1915, 9.
(35) Vgl. „Ave Maria“, Juni 1915, 123.(22) Vgl. ebd., 233.
(36) Vgl. Sandgruber, Roman, „Im Dienste der Kronen“ in „Die Presse“ vom 15. 10. 2011, Wochenendbeilage „Spectrum“, I f.
(37) Vgl. Assmann, Dietmar, Weihnachtskrippen in Oberösterreich, Weitra 2003, 81.


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Die Linzer Domkrippe von Sebastian Osterrieder und
die Tradition der Weihnachtskrippe in Oberösterreich

Autor: Wolfgang Sachsenhofer


Auftragsgenese und Entstehungsgeschichte der Domkrippe


Im Jahre 1905, als das Thema der Anschaffung einer Weihnachtskrippe für den Maria-Empfängnis-Dom aktuell wurde, war man von der Vollendung der Linzer Kathedrale noch weit entfernt. Man hatte ja 1862 mit dem Bau der Votivkapelle begonnen und anschließend das Presbyterium mit dem Kapellenkranz bis zum Querschiff fertiggestellt. Dann – 1885 – entschloss man sich zu einer ungewöhnlichen, aber taktisch klugen Maßnahme: Man verzichtete – eingedenk vieler unvollendeter Kirchtürme bei französischen Kathedralen – vorerst auf den Bau von Langhaus und Querschiff und begann stattdessen 1886 mit dem Bau des Turmes, der 1902 vollendet war. Damit klaffte eine große Lücke zwischen Chor und Turm, die erst mit der Domweihe 1924 endgültig geschlossen werden konnte.

Bischof Franz Sales Maria Doppelbauer (1845–1908), der den Dombau nach Kräften vorantrieb, war schon 1893 als Pilger nach Palästina gereist. Drei weitere Diözesan-Pilgerzüge in den Jahren 1900, 1906 und 1910 sollten folgen. Zweifellos ist in Bischof Doppelbauer in dieser Zeit der Wunsch herangereift, eine dem Linzer Dom ebenbürtige Weihnachtskrippe anzuschaffen – ein Werk, welches des herrlichen Domes würdig werden sollte. In diese Zeit fallen die ersten Kontakte zwischen Balthasar Scherndl, der seit 1902 leitender Redakteur der „Christlichen Kunstblätter“ war, und dem Künstler Sebastian Osterrieder. Scherndl hatte Gefallen an einer „orientalistischen“ Krippe des Münchner Künstlers gefunden und lud Osterrieder zu einer Sitzung des Dombau-Komitees am 22. 12. 1906 ein, zu der der Künstler bereits ein Modell des künftigen Krippenwerks mitbrachte. (29) Damit konnte er die Mitglieder sofort überzeugen.
Aber wie sollte man die Kosten für dieses Werk aufbringen? Auch darauf wusste man eine Antwort: Es durften zur Anschaffung der Krippe keine Gelder verwendet werden, welche für den Weiterbau des Domes selbst gespendet worden waren. Die Kosten müssten vielmehr auf dem Weg einer eigenen Sammlung hereingebracht werden. Und wer würde da nicht gleich an die spendenfreudigen Mitglieder des Dombau-Vereines denken? Diese hätten schon so viel für den Dom geleistet; sie würden auch die Mittel für die Krippe aufbringen. (30) Somit war die Entscheidung für Osterrieder gefallen und der Vertrag mit ihm wurde im Jänner 1908 abgeschlossen. (31)
Was waren nun die Kriterien für die Auftragsvergabe? Und warum kam keiner der heimischen Künstler des Historismus zum Zug? Balthasar Scherndl bringt es im Jänner 1912 auf den Punkt, wenn er in den „Christlichen Kunstblättern“ jene Vorzüge auflistet, die die (mittlerweile fast vollendete) Domkrippe aufweist. Sie sei nicht nur ein Gegenstand wahrer religiöser Erbauung und ein Kunstwerk ohne Makel. Sie erfülle – und das scheint mit ein entscheidendes Kriterium bei der Auftragsvergabe gewesen zu sein – auch noch wertvolle ethnografische Aufgaben:
„Herr Osterrieder hat es verstanden, in die große Szenerie so viele instruktive Einzelheiten einzuflechten, dass jeder Beschauer an ihr das Leben und Treiben der Orientalen studieren kann. Man sieht an den Häusern den ausgespannten Weinschlauch, die Reisigbündel, die zum Trocknen ausgehängte Wäsche, sogar den über dem Dache ausgebreiteten Kamelmist und die verschiedenen Formen der Trinkgeschirre; man sieht das schwarze Gezelt der Hirten mit dem Lagerfeuer, den orientalischen Holzpflug, den Dresch-Schlitten, die Handmühle, den vollständig adjustierten Kamelsattel und eine Menge anderer Kleinigkeiten. Jeder, der die Verhältnisse kennt, wird sagen: Ja, so kleiden sich, so leben die Bewohner des Heiligen Landes heute – und genau so haben sie auch vor 1900 Jahren, zu Christi Geburt, gelebt. Eltern und Lehrer mögen die Kinder zur Krippe führen. Die Kleinen werden nicht nur ihre Herzensfreude haben an der heiligen Darstellung der Anbetung des Jesuskindleins, sie können auch belehrt werden und lernen, wie im Heiligen Lande die Städte,
die Häuser ausschauen, wie malerisch die Kleidung, wie einfach die Lebensweise der Orientalen ist und war." (32)
Allen diesen Wünschen nachzukommen – dazu war Sebastian Osterrieder offenbar in der Lage. Deshalb erging der Auftrag an ihn.
In zahlreichen Beiträgen in den diözesanen Medien wurde nun Werbung für die künftige Domkrippe betrieben. Ihre Anlieferung sollte nicht auf einmal erfolgen, sondern es konnte jede Figur einzeln bestellt werden, je nachdem die eingehenden Geldspenden dies erlaubten. Oberstes Gebot war, keine Schulden für die Krippe zu machen. (33)
Als erstes war der Stall samt den dazugehörigen Figuren zu liefern. Dies geschah zu Weihnachten 1909. Die Aufstellung dieses ersten Teiles erfolgte jedoch noch nicht in der Krypta, wo die Krippe später ihren endgültigen Platz finden sollte, sondern neben dem Herz-Marien-Altar. Der noch geringen Größe des Werkes entsprechend war die figürliche Ausstattung noch bescheiden: Maria und Josef mit dem Jesuskind in der Krippe, letzteres von drei Engeln umgeben; dahinter Ochs und Esel. Über dieser Gruppe schwebten drei Engel mit den künftigen Leidenswerkzeugen in ihren Händen.

Das Jahr 1910 brachte mit der Anlieferung von elf weiteren Figuren eine deutliche Vergrößerung des Werkes. Über der Geburtsgrotte schwebte nun Gott Vater, von vier Engeln umgeben. Weiters lieferte Osterrieder eine Gruppe von sechs anbetenden und Gaben bringenden Hirten, die er um das Christkind gruppierte.
Eine weitere wesentliche Vergrößerung erfuhr das Werk im Jahre 1911. Es wurde nicht nur um die Szenerie mit dem Hirtenfeld und der Stadt Bethlehem erweitert; gleichzeitig wurden auch der Verkündigungsengel und eine Anzahl von Hirten, Schafen und Ziegen angeliefert. All dies konnte in der ursprünglich nur drei Meter breiten Krippe natürlich nicht mehr untergebracht werden. Daher – und aufgrund des außerordentlich großen Interesses der Bevölkerung – entschied man sich, in die Kapelle „Königin der Jungfrauen“ im westlichen Kapellenkranz anschließend an die Sakristei zu übersiedeln. Dazu musste eine hölzerne „Bühne“ mit einer Breite von 8 Metern, einer Tiefe von 5 Metern und einer Höhe von bis zu 9 Metern gebaut werden, die auf einem 90 Zentimeter hohen maßwerkverzierten Sockel ruhte. Da es am ursprünglich vorgesehenen Platz in der Krypta ein Gewölbe gibt, musste auch dieses für den neuen Standort „nachgebaut“ werden. Es ruhte auf vier Säulen, die drei gotische Giebel trugen. In diesem Gehäuse wurde nun die Osterrieder-Krippe aufgebaut. Es sollte noch bis zum Weihnachtsfest 1921 dauern, bis die Krippe dann endgültig ihren heutigen Standort in der Krypta fand.

Die wiederholten Spendenaufrufe hatten in all den Jahren so gefruchtet, dass 1912 auch die Drei Könige ihren Einzug in der Krippe halten konnten – allerdings noch ohne Gefolge. Das machte auch eine neue Personengruppe von Jesus-Maria-Josef erforderlich. Nun ist das Kind nicht mehr als Säugling dargestellt, sondern als zweijähriger Knabe, der auf dem Schoß seiner Mutter sitzt und den vor ihm knienden König segnet.
Nachdem in der Zeitschrift „Ave Maria“ auch im Jahre 1913 die schönsten und wichtigsten Neuerwerbungen in Wort und Bild den Lesern vorgestellt worden waren, kamen Ende dieses Jahres noch die Figuren des „Gefolges“ der Drei Könige dazu: Kamele, Elefant, Pferde und die dazugehörigen Reisebegleiter.
Zuletzt und als Höhepunkt seiner Arbeit lieferte Osterrieder noch den sogenannten Engelschor und setzte damit – so Scherndl – seinem Werk die Krone auf. „Ein Unikum in der Welt … welches den Besucher tatsächlich einen Blick wie in den geöffneten Himmel hinein machen lässt." (34)
Nun war die Linzer Domkrippe zum Weihnachtsfest 1913 tatsächlich vollendet und für Scherndl war es an der Zeit, in „seinen“ beiden Publikationen Bilanz zu ziehen.

Zuerst erstellte er einen Rechenschaftsbericht über die Kosten der Krippe. (34) Bis einschließlich Februar 1915 beliefen sich die Gesamtkosten (ohne jährliche Aufstellung und Beleuchtung) auf 28.500 Kronen. Davon erhielt Osterrieder für sein Modell, die Figuren und seine Reisespesen 20.000 Kronen, die Linzer Maler, Tischler, Bildhauer und
Vergolder rund 5.600 Kronen sowie ein Elektrotechniker 300 Kronen. Knapp 750 Kronen waren für Korkholz ausgegeben worden; 470 für die Goldstrahlen des Engelschores. Für Frachtkosten und Zoll bezahlte man 866 Kronen. Der Rest verteilte sich auf kleinere Ausgaben, etwa für die Bepflanzung. Trotzdem blieb noch eine „eiserne Reserve“ in Höhe von 800 Kronen, die als „Krippenfonds“ bei der Allgemeinen Sparkasse angelegt wurde. Mit Stolz wurde angemerkt, dass zur Bezahlung der Krippe kein einziger Heller aus der Baukasse des Domes genommen worden war.

Zum Vergleich: Laut Roman Sandgruber, Leiter des Institutes für Sozialund Wirtschaftsgeschichte an der Johannes-Kepler-Universität Linz, (36) hatte im Jahre 1911 ein Gymnasiallehrer ein Jahresgehalt zwischen 2.800 und 3.300 Kronen, ein Facharbeiter konnte auf 1.000 bis 1.500 Kronen kommen, ein Dienstmädchen oder ein Bauernknecht musste mit 300 Kronen das Auslangen finden.

Fassen wir zusammen: Die Krippe als Stätte religiöser Erbauung, als Ort „wahrer Kunst“, aber auch als Stätte der ethnographischen Belehrung des Volkes – diese gelungene Synthese war es also, die Sebastian Osterrieders Werk in Balthasar Scherndls Augen so unvergleichlich gemacht hatte und auch bei der spendenfreudigen Bevölkerung so großen Widerhall fand. Freilich hätte es auch Künstler aus anderen alpenländischen Regionen gegeben, die man mit dem Bau einer so großen orientalistischen Krippe betrauen hätte können.
Vor allem Tiroler Schnitzer wären dafür in Frage gekommen. Von dort hatten sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts immer wieder Bildhauer und Krippenbauer auf den beschwerlichen Weg nach Palästina gemacht, um Land und Leute zu studieren. (37) Ein prominenter Vertreter des Orientalismus war der aus St. Ulrich im Grödner Tal gebürtige Leopold Moroder, der 1911 mit der Errichtung der Krippe für die Pfarrkirche Bad Ischl beauftragt wurde. Dass nicht er oder einer seiner Tiroler Kollegen, sondern Osterrieder den Auftrag bekam, ist wahrscheinlich auch dem Zufall zu verdanken, dass Balthasar Scherndl auf den Münchner Künstler aufmerksam wurde und in der Folge mit ihm Freundschaft schloss. Auf jeden Fall hat Scherndl – und das geht aus seinen zahlreichen Schriften eindeutig hervor – dem Orientalismus klar den Vorzug gegeben und – zumindest aus heutiger Sicht – die Volkskunstkrippe mit ihrem minderwertigen „Pofel“ (Zitat Scherndl) viel zu wenig geschätzt.

Weiter: Die Domkrippe in der oberösterreichischen Krippentradition
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Vorbemerkung

Lage und Ausmaße
Architektonische und landschaftliche Gestaltung

Das Figurenprogramm der Domkrippe
Die Weihnachtskonfiguration
Die Dreikönigs-Konfiguration
Der Engelschor
Sebastian Osterrieder – Leben und Werk
Auftragsgenese und Entstehungsgeschichte der Domkrippe
Die Domkrippe in der oberösterreichischen Krippentradition



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